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Show Don’t Tell II – Beispiele & Umsetzung

Im ersten Teil dieser Reihe habe ich anhand einiger Show Don’t Tell Beispiele erklärt, was diese Schreibtechnik überhaupt ist. Dieses Mal geht es etwas praktischer weiter und ich zeige dir, wie du Show Don’t Tell in verschiedenen Situationen einsetzen kannst. Dieses mal mit noch mehr Show Don’t Tell Beispielen.

Show Don’t Tell bei Gefühlen

Ich bin wütend.Mein Blut kocht.

Show Don’t Tell Beispiele über Gefühle gibt es im Internet am meisten. Vermutlich, weil es hier besonders wichtig ist, nicht einfach nur zu sagen, wie eine Figur fühlt. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber wenn ich lese, dass eine Figur wütend, traurig, glücklich, erleichtert, … ist, löst das bei mir nicht viel aus. Ich weiß zwar, was die Person fühlt, aber ich fühle nicht mit. Anders ist es, wenn ich statt dem Gefühl lese, welche Reaktionen dieses Gefühl hervorruft. Denn ich kann nicht unbedingt nachvollziehen, warum A auf B wütend ist, weil sie irgendetwas getan hat, das mir persönlich völlig egal wäre. Aber ich kann nachvollziehen, wie es ist, wenn das Blut kocht, ich jemandem die Hände an die Gurgel legen will. Show Don’t Tell ist, wodurch wir auch die Gefühle von Figuren nachvollziehen können, mit denen wir nicht viel gemeinsam haben.

Ich selbst durchsuche meinen Text auf Adjektive, die Gefühle beschreiben, und ersetze diese durch Reaktionen. Das kann emotional sein (Herz setzt aus, Augen brennen, keine Worte verlassen den Mund) oder eine wirkliche Handlung (jemanden schubsen, Hände zu Fäusten ballen, wegrennen). Man kann Sätze wie »Ich bin wütend« einfach mit Show erweitern, also zum Beispiel »Ich bin so wütend, dass ich die Hände zu Fäusten balle«. Ich persönlich versuche, das tatsächliche Gefühl so oft es geht wegzulassen. Der Leser ist durchaus in der Lage, die Handlung »Fäuste ballen« in Zusammenspiel mit der weiteren Handlung zu interpretieren.

Show Don’t Tell bei Orten

Ich persönlich HASSE lange Absätze, in denen mir erzählt wird, wie ein neuer Ort aussieht.

Der Wald war kalt und dunkel. Die hohen Tannen standen dicht aneinander und nur wenige Wege führten durch den Landstrich.

Einen Absatz, der so beginnt, würde ich überspringen, vermutlich schon nach dem vierten Wort. Ich sehe zwar ein recht diffuses Bild des Waldes vor mir, aber ich habe nicht das Gefühl, mehr über diesen Wald erfahren zu wollen. Es ist halt ein Wald bei Nacht. Da brauche ich keine fünf Sätze, die ihn beschreibe. Ich möchte, dass meine Leser den Wald nicht nur sehen, sondern sich im Wald befinden. Sich mit dem Protagonisten durch den Wald kämpfen. Deshalb verknüpfe ich solche Beschreibungen immer möglichst nahtlos mit der Handlung und benutze Show anstatt Tell.

Selbst zwischen den dicht an dicht stehenden Tannen peitschte ihm der Wind ins Gesicht. Er starrte auf den Boden, weil er den selten genutzte Trampelpfad in der Dunkelheit immer wieder aus den Augen verlor. Doch alles in ihm drängt darauf, den Wald zu durchdringen.

Es gibt garantiert auch Leser, die das erste Beispiel bevorzugen. Manche mögen einen klaren, schnörkellosen Stil. Am besten findest du heraus, was du gerne liest, wie du dich beim Schreiben wohl fühlst. Denn es gibt natürlich nicht nur den einen oder den anderen Stil, sondern viele Abstufungen dazwischen.

Show Don’t Tell bei den Figuren

Statt zu erklären, dass meine Protagonistin ruhig und strebsam und unscheinbar ist, zeige ich ihre Eigenschaften während der Handlung. Ich lasse sie schweigen, während ihre Eltern mit ihr schimpfen. Ich lasse sie Bücher wälzen, statt auf die Party zu gehen. Und ich lasse sie neidisch die zurechtgemachten, beliebten Mädchen ihrer Klasse betrachten.

Versuche, dir zu überlegen, wie du die Eigenschaften deiner Figur zeigen kannst, ohne zu sagen, dass sie diese oder jene Eigenschaft hat. Ein positiver Bonus: Deine Figur ist glaubwürdig. Es gibt nichts nervigeres, als eine angeblich so schüchterne Person, die ständig freche Sprüche bringt und sich alles mögliche traut. Oder die angeblich so sarkastische, taffe Protagonistin, die bei ihrem Angebeteten plötzlich völlig perplex und handlungsunfähig ist.

Nicht falsch verstehen: Es ist definitiv ok, dass die taffe Protagonistin bei ihrem Angebeteten schwach wird, aber dennoch sollte sie ihre grundsätzlichen Charakterzüge behalten! Super wäre für mich, wenn sie innerlich dahinschmilzt, aber sich nicht erlaubt, das nach außen zu zeigen . Oder um zurück zu schüchternen Protagonistin zu kommen – wenn sie innerlich mit sich kämpft, sich total überwinden muss, aber ihr Antrieb so wichtig ist, dass sie sich wehrt und laut wird und kämpft, ist das auch nachvollziehbar. Aber all das muss per Show Don’t Tell gezeigt werden!

Show Don’t Tell bei der Handlung

Bisher waren die Show Don’t Tell Beispiele eher auf einzelne Wörter und Sätze konzentriert. Das Prinzip kann jedoch auch beim größeren Bild der gesamten Handlung angewandt werden! Wie immer meine Meinung, aber: Seitenlange Erklärungen zur Welt, zum Magiesystem, zu vergangenen Ereignissen sind das Gegenteil von spannend. Ich entdecke diese Dinge lieber gerne während der Handlung. Und genau so schreibe ich auch

Mein Protagonist würde das Magiesystem erlernen. Nicht in allen Einzelheiten, sondern nur so viel, wie für die Handlung notwendig ist. Er hadert mit Wassersprüchen, weil er dem Element Feuer zugeneigt ist. Seine Meisterin erklärt ihm ein paar Dinge, während er diese umsetzt. Und zwar immer so, dass kein Erklär-Monolog über zwei Absätze gehalten wird!
Statt zu erklären, dass Planet Zorbia zwei Monde hat, die einmal im Jahr voreinander stehen, zeige ich, wie die Protagonisten das Fest der Mondgleiche feiern.

So geht es weiter

Im letzten Teil dieser Reihe zeige ich dir, wann Show Sinn macht und wann du auf Tell zurückgreifen darfst oder solltest! Suchst du einen Schreibratgeber, der viel mit Beispielen arbeitet? Dann möchte ich dir das Buch Stein on Writing* bzw. auf Deutsch Über das Schreiben* ans Herz legen. Mir ist es wichtig, einen Schreibtipp nicht einfach nur theoretisch erklärt zu bekommen, sondern anschaulich mit Beispiel. So kann ich selbst abwägen, ob mir der Tipp gefällt, ob er mich und meinen Schreibstil voranbringt, oder ob er für mich nicht passt.

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